3 Jahre Klimanotlage – Teil 1: Interview mit Antonia Sprotte, Klimaschutzbeauftragte des Bezirk Reinickendorf

Antonia Sprotte, Klimaschutzbeauftragte des Bezirk Reinickendorf
Antonia Sprotte, Klimaschutzbeauftragte des Bezirk Reinickendorf (c)BA Reinickendorf

Im Dezember 2019 hat Berlin als erstes Bundesland die Klimanotlage anerkannt und damit dem Klimaschutz Priorität eingeräumt. Als Klimaschutzbeauftragte kommt Ihnen bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle zu.

Welche Themen konnten sie bisher bei Projekten einbringen?

Da Klimaschutz ein Querschnittsthema ist, sind sehr viele Fachbereiche betroffen und die Maßnahmen sehr vielfältig. Der Bezirk Reinickendorf hat ein bezirkliches Klimaschutzkonzept erstellt, indem die Aktivitäten in Sachen Klimaschutz beschrieben werden und Maßnahmen zu den Schwerpunktthemen Energie und Verkehr entwickelt wurden, die sich derzeit in der Umsetzung befinden. Das Klimaschutzkonzept finden Sie hier.

Ein großer Themenbereich wird mit dem Projekt „CO2-neutrale Verwaltung“ beschrieben, denn laut Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes müssen alle Berliner Verwaltungen bis 2030 weitgehend CO2-neutral arbeiten. Die Reinickendorfer Maßnahmen werden auch auf der Webseite beschrieben (Link) und befassen sich aktuell mit der Fuhrparkumstellung, Energieeinsparmaßnahmen, Klimaschutztipps für den Verwaltungsalltag, Fahrradnutzung und Prozessen zur besseren Erhebung der CO2-Emissionen durch Dienstmobilität. Dies sind hauptsächlich intern wirkende Maßnahmen. Als extern wirkende Maßnahmen für die Reinickendorferinnen und Reinickendorfer können Angebote, wie der kostenfreie Lastenradverleih in Kooperation mit dem ADFC genannt werden oder auch das Klimaschutzprojekt KlikKS – Klimaschutz in kleinen Kommunen und Stadtteilen in der Kooperation mit der Berliner Energieagentur, bei dem wir das ehrenamtliche Engagement der Bürgerschaft aktivieren und unterstützen möchten. Ein weiteres Beispiel ist die Unterstützung des Reinickendorfer Umweltpreises mit der Finanzierung von Bäumen als direkte CO2-Speicher. Grundsätzlich steht man als Klimaschutzbeauftragte als Gesprächspartnerin für Anfragen von anderen Fachbereichen im Bezirksamt, aber auch der Bürgerschaft zur Verfügung. Besonders häufig kommt es zu Anfragen hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen unterschiedlicher Größe, denn in Reinickendorf gilt seit Januar 2020 ein Einweg-Plastik-Verbot für bezirkseigene und genehmigungsbedürftige Veranstaltungen im Bezirk. Dies stellt besonders große, aber auch besonders kleine Kiezfeste, immer wieder vor Herausforderungen, die wir dann versuchen gemeinsam zu lösen.

In Abgrenzung zu den eben beschriebenen Maßnahmen liegt die Errichtung von PV-Anlagen auf allen Liegenschaften, bei denen es technisch möglich ist, im Aufgabenbereich des bezirklichen Energiemanagers. Er kümmert sich in Abstimmung mit den Berliner Stadtwerken um die Errichtung der PV-Anlagen im Pacht-Modell auf den bezirklichen Liegenschaften.

Ein großer Teil der bezirklichen Gestaltungsräume liegt im Bereich Planen und Bauen. An welchen Projekten wurden Sie als Klimabeauftragte beteiligt?

Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen werden alle betroffenen Träger öffentlicher Belange beteiligt. So auch beim Schutzgut Klima, die Klimaschutzbeauftragte. Außerdem gibt es eine Beteiligungsmöglichkeit bei Wettbewerben zur Umgestaltungsvorhaben, z.B. beim Franz-Neumann-Platz. Dabei werden Hinweise erteilt, die das Stadtplanungsamt nach Betrachtung aller Eingaben abwägen muss. Es besteht kein Abwägungsvorrang für den Klimaschutz. Bisherige Bebauungsplanverfahren waren z.B. die Holländerstraße B-Plan 12-54 (Friedhof Golgatha), Lübars im Alten Bernauer Heerweg (12-49c) oder das B-Planverfahren 12-63 Trettachzeile. Darüber hinaus erarbeiten die Quartiersmanagement-Gebiete Auguste-Viktoria-Allee, Letteplatz und Titiseestraße alle 4 Jahre ein integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzept (IHEK). Seit kurzem ist es maßgeblich, Klimaschutzthemen und Maßnahmen zur Klimaanpassung in diese IHEKs mit einzufügen. Zwei der drei QM-Gebiete in Reinickendorf führten Interviews mit mir und erhielten fundierte Zuarbeiten mit Maßnahmenvorschlägen.

Wie hat sich die Ausrufung des Klimanotstands auf bezirkliche Entscheidungen, etwa auch bezüglich des Bau und Abrisses von Gebäudesubstanz, ausgewirkt?

Nach meiner Einschätzung hat die Ausrufung des Klimanotstandes zunächst keine direkten Auswirkungen auf bezirkliche Maßnahmen hinsichtlich Entscheidungen zu Bau oder Abriss von Gebäudesubstanz. Die Bemühungen hinsichtlich der Fähigkeit eines Gebäudes selbiges auch wieder zu recyceln, gibt es bereits seit längerer Zeit koordiniert von der Reuse-Initiative auf Senatsebene, aber ich sehe dahingehend noch einen umfangreichen Änderungsprozess bei Herstellern verschiedener Gewerke, sowie Planern und Bauherren nicht nur in Reinickendorf oder in Berlin. Die Ausgestaltung des Klimanotstandes ist eine sehr individuelle Angelegenheit und hatte meiner Meinung nach in Berlin hauptsächlich die Anpassung der Klimaziele zum Anlass. In der Zwischenzeit haben bereits einige Bezirke ihrerseits eine Klimanotlage festgestellt oder einen Klimavorbehalt für bezirkliche Entscheidungen eingeführt. Ein Klimavorbehalt ist Ende 2022 auch in Reinickendorf beschlossen worden und die Umsetzung wird derzeit vorbereitet. Insofern hat der Klimanotstand als Symbolmaßnahme auf Landesebene durchaus eine positive Wirkung auf die Bezirke.

Ihre drei Wünsche für das neue Jahr?

1.      Zunächst freue ich mich über den Start der neuen Klimaleitstelle im Bezirk Reinickendorf in den kommenden Wochen und die Unterstützung durch einen neuen Kollegen. Trotz dieses Anfangs wünsche ich mir darüber hinaus für den Bezirk noch mehr Personal für den Klimaschutz und besonders für die Klimaanpassung in Reinickendorf.

2.      Die Maßnahmenliste im Klimaschutzkonzept ist sehr umfangreich und ich wünsche uns eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen.

3.      Natürlich ist der Bezirk dabei auf mutige Menschen angewiesen, die dies alles mit unterstützen. Daher wünsche ich mir weiterhin engagierte Menschen in der Bezirksverwaltung und in der Zivilgesellschaft.

Interview: Justus Hayner

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