Rat für Stadtentwicklung Berlin: Die AVUS – eine Hommage an das Auto verschwindet

Rudolf Caracciola (links) und sein Mechaniker Eugen Salzer feiern, nachdem sie den ersten deutschen Grand Prix im Jahr 1926 gewonnen haben | Bild: wikimedia / Bundesarchiv, Bild 102-02915 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0
Rudolf Caracciola (links) und sein Mechaniker Eugen Salzer feiern, nachdem sie den ersten deutschen Grand Prix im Jahr 1926 gewonnen haben | Bild: wikimedia / Bundesarchiv, Bild 102-02915 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0

Noch die letzte Biegung, dann geht es schnurgerade. Die Autobahn ist auf beiden Seiten von dichtem Wald gesäumt, irgendwann zeigt sich am Horizont der Funkturm – jetzt ist es nicht mehr weit. Und wenn sich dann auf der linken Seite die Tribünenränge erheben, geht alles ganz schnell: Zwischen Schilderwald die steilen Rampen runter, am ICC vorbei, das immer aussieht, als wäre es gerade aus einem Science-Fiction- Film gefallen, schon ist man mitten in der Stadt. Für Berlinerinnen wie Besucherinnen gleichermaßen bildet diese unverwechselbare Abfolge einen Stadteingang nach Berlin, einen Ort, der vielleicht mit sentimentalen Kindheitserinnerungen verbunden ist oder, wenn man in der Prä-Navigationsgeräte-Zeit hinter dem Steuer saß und sich dem Autobahndreieck nährte – mit Angstschweiß, die falsche Abfahrt zu nehmen.

Die Entflechtung des mit reichlich Schildern gespickten Knotens aus Spuren, Rampen und von Ampeln dicht gefolgten Abfahrten ist aus Sicht vieler Autofahrenden sicher eine edle Mission, auch wenn es sie nicht davon abhalten dürfte, über die mit diesem Umbau verbundene jahrelange Baustelle zu fluchen. Aber sie kostet einen hohen Preis: Denn die AVUS, die Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße, auf der man sich hier Richtung Berlin nähert und zu der die Tribünen wie auch der, heute als Raststätte genutzte, Zielrichterturm gehörten, steht wie kaum ein anderer Ort für die Automobilgeschichte in Deutschland.

Eng verknüpft mit der Entwicklung des benachbarten Messegeländes eröffnete hier 1921, nach 12 Jahren Planung und Bau, die erste ausschließliche Autostraße und erste Autorennstrecke Deutschlands. 1940 wurde sie verstaatlicht und in das Autobahnnetz integriert. Etwa 20 Jahre später erfolgte dann der Anschluss an die Stadtautobahn. Die längste Zeit ihres Bestehens hatte die Avus damit eine Doppelfunktion: Als Rennstrecke und als Autobahn mit einzigartigem Charakter. Erst 1998 wurde der Rennbetrieb endgültig eingestellt.
Als Denkmal ist die AVUS noch heute, passenderweise nur mit dem Auto, erfahrbar. Doch mit der aktuell von der DEGES, der 1991 gegründeten Projektmanagementgesellschaft „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH“, entwickelten Neuplanung des Autobahndreiecks Funkturm, sollen zentrale Bereiche der AVUS von der neuen Autobahn abgeschnitten werden. Im derzeitigen Entwurf ist vorgesehen, die Autobahn noch vor den Tribünen nach Süden zu verschwenken, lediglich das Tribünendach und der Mercedesstern auf dem Zielrichterturm wären noch aus der Ferne, versteckt hinter Schallschutzwänden zu erahnen.

Diese Planung, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, führt zu Konsequenzen, die das Stadtbild an diesem ikonischen Ort deutlich verändern wird. Auch das nachgeschobene städtebauliche Werkstattverfahren wird in seinem Ergebnis diesem einzigartigen, geschichts-trächtigen Stadteingang kaum gerecht: Flächenzuschnitte und Rahmenbedingungen wurden deutlich von der rein funktional ausgerichteten Verkehrsplanung geprägt und führen zu einer Zergliederung des Stadt- und Landschaftsraum in einzelne Stadtinseln.

In Bezug auf die AVUS scheint die vorliegende, rein funktional gedachte Planung der DEGES kaum noch veränderlich. Mit einigen einfachen Maßnahmen ließe sich aber noch eine Schadensbegrenzung erzielen: Angefangen bei dem Einsatz von transparenten Schallschutzelementen und der Zielvorgabe, keine weitere Störung der Sichtbeziehung durch Gebäude oder Pflanzungen herbeizuführen. Darüber hinaus sollte im dann abgeklemmten und aufgehobenen Straßenabschnitt, zwischen Tribünen, Zielrichterturm und Resten der Nordkurve, die räumliche Beziehung der Bauten zueinander nachvollziehbar bleiben. Hierfür wäre es denkbar, auch in Zukunft die Fahrbahnbeläge in diesem Areal, inklusive der Überführung an der Jafféstraße zu erhalten. Diese könnten, ähnlich wie auf dem Tempelhofer Feld, für Veranstaltungen oder als Radwege nachgenutzt werden. Eine Nutzung wie derzeit angedacht, als Logistikpunkt für die Messe, ist dem Ort wie auch seiner Geschichte nicht angemessen. Hier ist aus unserer Sicht dringend eine Überarbeitung der Planung erforderlich!

Es ist schon erstaunlich, wie in dieser Stadt, die sich durch eine lebendige Diskussionskultur auszeichnet, die vorgesehene Umgestaltung eines wesentlichen, stadtprägenden Eingangs so wenig Beachtung findet. Die historisch gewachsenen, wie auch diese „modernen“ Stadttore sind es wert, mehr Aufmerksamkeit zu erhalten und sie nicht allein monofunktionalen Anforderungen zu unterwerfen, denn sie begrüßen und laden ein in unsere Stadt Berlin.
Vorsitz

Justus Hayner für den Rat für Stadtentwicklung

Der Rat für Stadtentwicklung Berlin setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern wirtschaftlich und politisch unabhängiger Institutionen zusammen, die für die Stadtentwicklung Berlins und der Region arbeiten, forschen und lehren. Als Teil der aktiven Bürgerschaft und im öffentlichen Interesse wurde der Rat für Stadtentwicklung im Jahr 2000 gegründet, um gemeinsam notwendige Erneuerungen einzuleiten, Missstände zu benennen und Fehlentwicklungen zu verhindern.

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