14.12.2022: Stellungnahme des Bürger*innenvertreters zu den Empfehlungen zum Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt

Baustelle Molkenmarkt (c) Matthias Grünzig

Der Bürger*innenvertreter des Wettbewerbs- und Werkstattverfahrens Molkenmarkt, Matthias Grünzig,  hat am 14. Dezember 2022 eine Stellungnahme zu den veröffentlichten Empfehlungen „Modellquartier Berlin Molkenmarkt“ veröffentlicht. Diese wird hiermit dokumentiert:

Matthias Grünzig

Stellungnahme des Bürger*innenvertreters des Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt zu den veröffentlichten Empfehlungen zum „Modellquartier Berlin Molkenmarkt“

Einschätzung der Empfehlungen

Die veröffentlichten Empfehlungen sollen laut Senatsbaudirektorin Kahlfeldt jenen Empfehlungen entsprechen, die die zuständigen Preisrichter*innen auf dem Abschlusskolloquium am 13. September 2022 formuliert und vorgetragen haben. (Aussage in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am 21. November 2022) Ein Vergleich zwischen beiden Empfehlungstexten zeigt jedoch, dass die Aussage der Senatsbaudirektorin nicht der Wahrheit entspricht. 

Die am 7. Dezember 2022 veröffentlichten Empfehlungen zum „Modellquartier Berlin Molkenmarkt“ entsprechen nicht den Empfehlungen, die die Preisrichter*innen auf dem Abschlusskolloquium am 13. September 2022 erarbeitet und verlesen haben.

Teilweise wurden Empfehlungen weggelassen, teilweise wurden völlig neue Empfehlungen hinzugefügt, die im Widerspruch zu den ursprünglichen Empfehlungen stehen. Zudem wurde ein völlig neues Themenfeld (Architektur) hinzugefügt, zu dem auf dem Abschlusskolloquium überhaupt keine Empfehlungen formuliert wurden.

Aus diesen Ausführungen wird klar, dass die Empfehlungen der Preisrichter*innen nachträglich verändert worden sind. Schon deshalb können diese Empfehlungen nicht als die Empfehlungen des Preisgerichts gewertet werden. Zudem ist nicht klar, ob diese Empfehlungen von allen Mitgliedern des Preisgerichts beschlossen worden sind.

Deshalb dürfen die veröffentlichten Empfehlungen auf keinen Fall die Grundlage für die weitere Planung am Molkenmarkt bilden.

Forderungen

Das Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt steckt in einer schweren Glaubwürdigkeitskrise. Sowohl die von der Senatsbaudirektorin verhinderte Auswahl eines Siegerentwurfs am 13. September 2022 als auch die aktuelle Veränderung der Empfehlungen der Preisrichter*innen haben viel Vertrauen zerstört. Die Molkenmarkt-Planung droht in einem Sumpf aus Täuschung und Manipulation zu versinken und damit zu scheitern. Die Folgen wären dramatisch: Schließlich sind am Molkenmarkt 400 bezahlbare Wohnungen und kostengünstigen Räume für Kunst und Kultur geplant, die dringend benötigt werden.

Deshalb sind Anstrengungen nötig, um die Molkenmarkt-Planung zu retten. Das zerstörte Vertrauen muss wieder aufgebaut werden. Dazu sind folgende Schritte unverzichtbar:

Transparenz schaffen

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen muss lückenlos darlegen, wie der veröffentlichte Text entstanden ist. Vor allem muss offengelegt werden, welchen Text die Redaktionsgruppe am 7. November 2022 an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen geschickt hat und inwieweit der Text seitdem verändert worden ist. Zudem muss geklärt werden, von wem und in welcher Form der Text am 17. November 2022 angepasst wurde.

Erneute Sitzung des Preisgerichts

Das Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt muss wieder in die im Auslobungstext vorgesehenen Bahnen gelenkt werden. Derzeit wurde weder der in der Auslobung vorgesehene Siegerentwurf ausgewählt noch liegen vom Preisgericht beschlossene Empfehlungen vor. Folgerichtig gibt es keine legitimierten Planungen, die die Grundlage für die Weiterarbeit bilden könnten. Deshalb ist eine erneute Sitzung des Preisgerichts unverzichtbar. Auf dieser Sitzung sollten

-a.)ein Siegerentwurf ausgewählt und

-b.)Empfehlungen des Preisgerichts beschlossen werden.

Etablierung eines kooperativen Planungsprozesses

Die Planung des Molkenmarkt-Quartiers ist eine komplexe Aufgabe, bei der die unterschiedlichsten Akteure (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Senatsverwaltung für Kultur und Europa, WBM, Degewo, BImA, etc.) zusammenwirken. Die Planung kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten vertrauensvoll und gleichberechtigt zusammenarbeiten. Deshalb ist die Etablierung eines kooperativen Planungsverfahrens unter Einbeziehung aller Beteiligter unverzichtbar. Denkbar wäre ein Gremium, das regelmäßig tagt und in dem alle wichtigen Entscheidungen (z.B. die Formulierung der Charta, der Auslobungstexte der Freiraum- und Hochbauwettbewerbe, die Besetzung der Preisgerichte) einvernehmlich beschlossen werden.

Hintergrundinformationen zur Entstehung der Empfehlungen

Abschlusskolloquium am 13. September 2022

Während des Abschlusskolloquiums am 13. September 2022 erhielt das Preisgericht den Auftrag, Empfehlungen für die Weiterarbeit zu erarbeiten. Folgende Themenfelder wurden vorgegeben:

-Städtebau/räumliche Vernetzung

-Freiraumgestaltung

-Mobilität/Erschließung

-Denkmalschutz/Archäologie

-Wohnen

-Kultur

-Ökologische Nachhaltigkeit

-Erdgeschossnutzung/Nutzungsvielfalt

-Planungsrecht

Für jedes Themenfeld waren zwei Preisrichter*innen verantwortlich. Diese Preisrichter*innen haben dann auch während des Abschlusskolloquiums Empfehlungen formuliert, die stark an den 8 Leitlinien und den Erkenntnissen des Verfahrens angelehnt waren. Zu einer Abstimmung über die Empfehlungen kam es allerdings nicht.

Ankündigung von Senatsbaudirektorin Kahlfeldt in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am 21. November 2022

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am 21. November 2022 erklärte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, dass die Empfehlungen, die die 18 Preisrichter*innen während des Abschlusskolloquiums formuliert hatten, nun inhaltlich unverändert veröffentlicht werden sollten. Eine Redaktionsgruppe habe die Empfehlungen lediglich im Sprachduktus angepasst.

Senatsbaudirektorin Kahlfeldt im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am 21. November 2022:

„Das ist dann ein diskursives Verfahren, da gab es zwei Überarbeitungsschritte, und es endete mit der Juryempfehlung auf Basis der Entwürfe aus dem Abschlusskolloquium. Ich bin ganz froh, dass ich heute sagen kann, dass diese schriftlichen Juryempfehlungen seit Freitag, Herr Kühne ist jetzt auch hier mit dabei, seit Freitag dem 18.11. vorliegen, insoweit, wir prüfen das dann noch oder schauen es durch, wir haben es weniger zu prüfen, weil es ist ja die Juryempfehlung. Die Jury war 21köpfig, und in diesen Empfehlungen sind 9 Themenfelder vertieft worden, für jedes Themenfeld waren 2 Mitglieder aus der Jury sozusagen hauptverantwortlich zuständig, so dass 18 Jurymitglieder jetzt diese Juryempfehlungen schriftlich auch bei uns oder insgesamt kommuniziert haben, jetzt erst einmal in unsere Richtung, und die werden dann natürlich auch veröffentlicht. (…)

Ich sehe in der Bearbeitung der 9 Themenfelder a´ 2 Jurymitglieder, 18 plus die Vorsitzende, die selber nicht in den einzelnen Themenpatenschaften drin war, 19, und Frau Dr. Niedbal und ich, die wir entsandt waren, eben als Sachpreisrichterinnen, wir haben auch den Text dort nicht mitgearbeitet. Ich sehe 18 hoch engagierte Jurymitglieder, die auf vielen Seiten, ich komme gleich noch mal, wenn ich dann nachher dabei bin, bei den inhaltlichen Sachen, die genau die Qualitätsanforderungen, die Schritt für Schritt und Schicht für Schicht in den vielen unterschiedlichen Phasen dieses Wettbewerbsverfahrens oder Planungsverfahrens herausgearbeitet werden konnten, die dieses festschreiben. (…)

Es gab neun Themenfelder, wie ich sie vorhin umrissen habe, die jeweils 2 Jurymitglieder ausgearbeitet haben. Die wurden alle einzeln verlesen, diskutiert, korrigiert, und dann am Ende dieses großen Themenpaketes, was wir dort bis in den Abend gemacht haben, wurde dann eine Redaktionsgruppe festgelegt, die sprachlich redaktionell, sie können sich vorstellen, wenn 18 Menschen Texte machen, dass da unterschiedliche, wie sagt man dazu, Strukturen und Duktus da ist, das heißt, diese Redaktionsgruppe, der sie gerade jede Kompetenz abgesprochen haben, hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, aus diesen umfangreichen 9 Texten, eine, wie soll man sagen, durchgängige Sprachduktus zu finden. Der Inhalt ist aus der Jury gekommen und wurde so gemeinsam diskutiert, erarbeitet und dann auch verabschiedet.“ 

Veröffentlichung der Empfehlungen zum „Modellquartier Berlin Molkenmarkt“ am 7. Dezember 2022

Am 7. Dezember 2022 wurden Empfehlungen zum „Modellquartier Berlin Molkenmarkt“ veröffentlicht. Laut dem Text selbst wurden die Texte von einer Redaktionsgruppe aus 7 Preisrichter*innen erarbeitet. In dem Text heißt es: „Die hier zusammengestellten Empfehlungen wurden unabhängig und innerhalb der Gruppe über den Verlauf von drei Sitzungen zusammengestellt und gemeinsam formuliert. (Arbeitszeitraum 07.10.22 – 6.11.22). Grundlage dazu bildeten die zum Abschluss des Verfahrens erarbeiteten Beurteilungstexte.“ (S. 17)

In der Realität unterscheiden sich die vorliegenden Empfehlungen gravierend von den auf dem Abschlusskolloquium formulierten Empfehlungen.

Erstens wurden die Themenfelder verändert. Das Themenfeld „Ökologische Nachhaltigkeit“ wurde weggelassen, einzelne Aspekte des Themas wurden dem Themenfeld Freiraum zugeordnet. Die Ökologie wurde durch diese Entscheidung deutlich abgewertet, wichtige Empfehlungen zur Ökologie fielen unter den Tisch.

Gleichzeitig wurde ein neues Themenfeld eingefügt, zu dem auf dem Abschlusskolloquium keine Empfehlungen formuliert wurden: die „Architektur“. Unter dieser Überschrift wurden Empfehlungen formuliert, die im Wettbewerbs- und Werkstattverfahren (das ja den Städtebau und die Freiraumgestaltung zum Inhalt hatte) niemals diskutiert wurden.

Die Empfehlungen zu den anderen Themenfeldern weichen mehr oder minder von den Empfehlungen des Abschlusskolloquiums ab.

Auch aufgrund dieser willkürlichen Ergänzungen sind die Empfehlungen in sich völlig inkonsistent.

Beispielsweise heißt es auf Seite 7: „…sind aufgrund von inhaltlicher Doppelung von Aspekten sowie um eine größere Konsistenz zu erzielen die nachfolgend aufgeführten 8 Themenfelder mit entsprechenden Unterpunkten entwickelt worden:“

Es folgen dann aber 9 Themenfelder (Städtebau/Räumliche Vernetzung, Architektur, Freiraum und blau-grüne Infrastruktur, Mobilität/Erschließung, Wohn- und Gewerbenutzung, Kulturnutzung, Nutzungsvielfalt/Erdgeschoss, Denkmalschutz und Archäologie, Planungsrecht)

Weitere Mängel

Stellungnahmen der Sachverständigen fehlen

Im Vorfeld des Abschlusskolloquiums haben Sachverständige aus unterschiedlichen Verwaltungen und Institutionen Stellungnahmen zu den beiden Entwürfen erarbeitet. Diese Stellungnahmen wurden nicht veröffentlicht.

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