Zerstört werden soll: ein wertvolles innerstädtisches Biotop von rund 2400 m2, das zugleich ein lebendiger sozialer Ort im Quartier ist. Die Gärten an der Prinzregentenstraße mit 66 Obstbäumen sind nicht nur Heimat von drei Bienenvölkern, sondern auch von vielen Tier- und Pflanzenarten, die gesetzlich geschützt sind oder auch auf Vorwarnlisten verschiedener Roter Listen stehen wie der Nashornkäfer, die Goldglänzende Furchenbiene, der Habicht, der Grünspecht, der Gartenrotschwanz oder der Haussperling. Die Gärten bilden einen Trittsteinbiotop in einem hochverdichteten Stadtquartier mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen je Quadratkilometer, das nach Aussage des Berliner Senats mit Grünanlagen schlecht versorgt ist. Die Kolonie Am Stadtpark I hat aufgrund ihrer vielen Angebote und Aktivitäten für die Bevölkerung 2016 vom Bezirk den Erwin-Barth-Preis „insbesondere für die Nachbarschaftspflege“ erhalten.
Die Fläche der Kleingärten war bislang noch nie bebaut. Sie bildete einen Freiraum südlich der 1930 eingeweihten und 1938 zerstörten großen Synagoge, deren Ruine 1958 abgetragen wurde. Gegenüber wohnet Walter Benjamin in den Jahren 1930-1933 (Prinzregentenstraße 66)
In den Kleingärten haben eine Reihe seltener und bedrohter Arten ihre Heimat
Gebaut werden sollen: von der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo 259 Mini- Appartments von geringer Qualität für temporäres Wohnen von Studierenden (keine Balkons, minimierte Gemeinschaftsflächen) zu einem Mietpreis von 25 € qm (warm) sowie eine kleine Kita, für die es laut Aussage von Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger keinen Baubedarf gibt. Die Bebauungsdichte mit einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,83 ist mehr als doppelt so hoch wie ursprünglich zulässig.
Planauszüge aus dem Bauvorbescheid. Fassade noch in Bearbeitung
Verheimlicht: Die jahrelange Vorbereitung des Bauvorhabens (Grundstückskauf, Planung, Bauvoranfrage, Bauvorbescheid) wurden bis Sommer 2022 weitgehend geheim gehalten. Weder die Bezirksverordnetenversammlung noch die Betroffenen und die Nachbarschaft wurden informiert oder gar eingebunden. Nachdem der Sachverhalt im Spätsommer 2022 schließlich bekannt wurde, hieß es: Der Entscheidungsprozess ist abgeschlossen, da ist nichts mehr zu machen. Dies steht im Widerspruch zu den 2019 beschlossenen „Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der räumlichen Stadtentwicklung“ des Berliner Senats, dort heißt es: „Schon wenn die Ziele eines Projektes formuliert werden, sollen Bürger und Bürgerinnen einbezogen werden“.
Kein Einzelfall: Obwohl das Land Berlin 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat, geht die Zerstörung von Kleingartenanlagen und anderem Stadtgrün nahezu unvermindert weiter, nimmt die Bodenversiegelung durch Neubaumaßnahmen im Durchschnitt um 3.800 m2 pro Tag zu. Zwischen 2004 und 2019 wurden über 4 Quadratkilometer Kleingärten zerstört, das sind ca. 14 % aller Kleingärten. Nach 2030 droht in Berlin nach aktuellem Planungstand der Wegfall weiterer 2,8 Quadratkilometer (9,6%) an Kleingärten.
In Wilmersdorf wurden im Jahr 2016 156 Gärten der Kleingartenkolonie Oeynhausen für ein Wohnungsbauvorhaben zerstört, obwohl sich kurz zuvor 85.000 Bürger (77% der Stimmen) in einem Bürgerentscheid gegen die Zerstörung ausgesprochen hatten. Auch die Kleingartenkolonie Wiesbaden verlor 20 Gärten. In anderen Bezirken sieht es nicht besser aus. So plant gegenwärtig das kommunale Wohnungsunternehmen Gesobau in Pankow unter Aushebelung des mit Bürgerbeteiligung entstandenen Bebauungsplans die Abholzung von 170 Bäumen für ein Neubauvorhaben.
Tabula Rasa statt Bauen im Bestand: Leider ist es nach wie vor weitaus einfacher, eine Grünfläche zu überbauen und damit zu zerstören, als im Bestand zu bauen. So auch in Wilmersdorf. In unmittelbarer Umgebung des Standortes finden sich eine Reihe von Liegenschaften des Landes Berlin, die bereits versiegelt sind und die erhebliches Nachverdichtungspotenzial für den Bau von Wohnungen und anderem bieten. Doch während diese Möglichkeiten ungenutzt bleiben, soll nun für das Bauvorhaben wertvolles Stadtgrün zerstört werden. Der Senat selbst räumte ein, dass Alternativen zu der Bebauung der Kleingärten nicht geprüft worden sind.
Schon in direkter Nachbarschaft gibt es drei Möglichkeiten, auf bereits versiegelten Flächen nachzuverdichten, zwei davon (2, 3) sind sogar landeseigene Liegenschaften. Solche Alternativen wurden aber nicht in Erwägung gezogen und geprüft.
Im Widerspruch zu den Aussagen der Landes- und Bezirkspolitik: Die landeseigene Immobiliengesellschaft Berlinovo hat die Kleingärten überplant, das Grundstück gekauft und den GärtnerInnen Anfang Februar 2023 mit Wirkung zum 30. November gekündigt, obwohl das Vorhaben im Widerspruch zu einer Reihe von Beschlüssen und Zusagen auf Landes- und Bezirksebene steht:
Nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren hatte die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg Wilmersdorf im Sommer 2016 beschlossen, die Grünflächen und Kleingärten des Bezirks dauerhaft zu sichern und bestehende andere Planungen unverzüglich aufzuheben. Im Dezember 2022 beauftragte die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg Wilmersdorf das Bezirksamt, zu prüfen ob und wie eine dauerhafte Sicherung des Blocks IV der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I erreicht werden kann.
Der Berliner Senat hat im Dezember 2019 die Klimanotlage festgestellt. Der Koalitionsvertrag des rot- rot-grünen Senats von 2021-2023 sagte die Sicherung der Berliner Kleingärten zu. Die SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhaus beschloss im Januar 2023 ein Kündigungsmoratorium für Kleingärten mir der Begründung: „Kleingärten sind soziale Integrationsorte und grüne Oasen in unserer Stadt.“ In einem Gespräch Ende Januar 2023 sicherte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey den betroffenen Kleingärtnern von Block 4 zu, dass sie eine Prüfung von Alternativlösungen im Senat veranlasst.
Doch den Worten müssen Taten folgen. Klimaschutz und eine soziale Wohnpolitik sind kein Widerspruch. Statt Stadtgrün zu zerstören sollten die Nachverdichtungspotenziale bereits versiegelter Flächen – wie etwa Parkplätze oder Gebäudedächer – für den Neubaubedarf genutzt werden. Gerade eine verdichtete Stadt bedarf des qualitätsvollen Stadtgrüns: Es kühlt das Stadtklima und lindert so die Folgen der Hitzesommer, es beheimatet Tiere und Pflanzen, es bietet den Innenstadtbewohnern, die auf ein Haus im Grünen verzichten, dringend benötigte Erholung, Entspannung und Naturerfahrung. Und in Kleingärten lernen Stadtkinder den Umgang mit Natur, hier kommt die Nachbarschaft zusammen und stiftet sozialen Zusammenhalt.
Wir fordern daher von den Entscheidungsträgern im Senat, den landeseigenen Unternehmen und dem Bezirk:
- den Stop des Bauvorhabens der Berlinovo auf Block 4 der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I
- eine Rücknahme der Kündigung und eine dauerhafte Sicherung der gesamten Kolonie
- den Stop des Bauvorhabens der Gesobau in Pankow
- die zügige Inventarisierung der Nachverdichtungspotenziale aller Liegenschaften des Landes und deren Aktivierung
Initiative Rettung Kleingärten Prinzregentenstraße/Wilmersdorf, Mitglied im Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (https://www.nachhaltigestadtentwicklung.berlin)
Kontakt: initiative_gaerten@kolonie-am-stadtpark.de
BUND, Landesverband Berlin
Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer BUND Berlin e.V.
Prof. Dr. Philipp Oswalt, Mitinitiator der Berlin-Plattform und Bündnis Klimastadt Berlin 2030
PD. Dr. habil. Fritz Reusswig, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
Prof. Jean Philippe Vassal, Architekt Paris/ Berlin, Pritzker-Preisträger 2021, Professor für Entwerfen und Stadterneuerung an der Universität der Künste Berlin
Prof. Dr. Philipp Misselwitz, Co-Geschäftsführer Bauhaus der Erde, Potsdam
Yasser Almaamoun, Sprecher Plattformnachwuchsarchitekt*innen Berlin
Prof. Dr. Alfred Richartz, Sportwissenschaftler
AfA – Aktiv für Architektur, Sprecher Alexander Walter, Achitekt Berlin
2 Kommentare zu “Die Zerstörung von Kleingärten in Berlin Wilmersdorf durch das Land Berlin stoppen!”
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