Justus Hayner: Form oder Inhalt – die Neuerrichtung der Bauakademie

Nachwuchswettbewerb „Stadt im Wandel – Stadt der Ideen” 2009 – „Alles Fassade oder was?“ GEWINNER: Frank Rudolph (Husum): „Bauplatz wird Schauplatz“ (Kategorie A – Aktivierung des Stadtraumes am Schlossplatz in der Mitte Berlins)

Die Diskussionen um den Wiederaufbau der Bauakademie reichen nun bereits mehr als 30 Jahre zurück. Bereits 1991 wurde die erste Machbarkeitsstudie zu ihrem Wiederaufbau angefertigt. Ein Verein versucht nun mit einer zweifelhaften Umfrage den anstehenden Wettbewerb zu beeinflussen. Angeblich wünsche sich die Mehrheit der Deutschen die Bauakademie mit historischer Fassade. Nun ist das beauftragte Marktforschungsunternehmen Forsa bereits dafür bekannt tendenziöse Fragen zu stellen, welche zum gewünschten Ergebnis führen bzw. einen eher „freien“ Umgang mit Zahlen und deren Interpretation zu pflegen. So lässt sich auch in diesem Fall die Belastbarkeit der Zahlen eher als Marketing-Gag verstehen: Denn, wenn bundesweit Personen zwischen zwei Entwürfen für ein, mutmaßlich unbekanntes, lokales Bauprojekt entscheiden sollen – aber nur von einem Bilder gezeigt werden, während der andere noch gar nicht existiert – braucht man keine Statistiker*in zu sein um da den Fehler zu erkennen. Die Bundesstiftung Bauakademie äußert sich entsprechend auch eher zurückhaltend auf diesen Vorstoß und bezeichnet die Umfrage-Ergebnisse als „bereichernd für die Diskussion“.

Nichtsdestotrotz gibt es in großen Teilen der Bevölkerung auch ein nachvollziehbares Misstrauen gegenüber moderner Architektur: Omnipräsente und völlig austauschbare Neubauten wie das Umfeld des Hauptbahnhofs mit der Europacity und BND-Zentrale bestimmen das Bild zeitgenössischer Architektur. In ihrer technokratischen Kälte dienen sie nicht als Aushängeschild für das was heute gestalterisch möglich wäre. Warum also bei der Bauakademie das Risiko eines modernen Entwurfs eingehen, wenn man bei der historischen Fassade doch weiß, woran man ist?

Was die Schinkel‘sche Bauakademie zu ihrer Zeit so bedeutsam machte war, dass sie nach dem Vorbild der Fabrikbauten in Manchester als Vorzeigbau der preußischen Industrie, Ziegel- und Eisenkonstruktionen selbstbewusst zur Schau stellte und damit den Stolz auf diese Produktivkraft verkörperte. Doch diese bauliche Leistung lässt sich nicht durch eine Rekonstruktion wiederbeleben. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Zeit. Die Ära der Berliner Brennereien und Schmelzöfen ist längst vergangen. Moderne Konstruktionsmethoden, Bautechnik und Materialien lassen heute kaum Hürden bei der Errichtung solcher Bauwerke zu. Statt eines Symbols des Fortschritts, wo mit neuen Materialien, Konstruktionsmethoden und Formsprachen Pionierarbeit geleistet wurde, würde sich eine Rekonstruktion bzw. ein Nachbau des Originals genau in ihr Gegenteil verkehren. Statt Neuland zu betreten, würde man an den alten Zeiten festhalten, die hier gleich mit re-konstruiert werden sollen.

Denn am Ende geht es natürlich auch um die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte und Gegenwart. Staatsarchitektur stellte schon immer ein Mittel zur Volkserziehung dar. Dass man nun 75 Jahre nach der Auflösung Preußens durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 der Alliierten und über 100 Jahre nach der Abschaffung der Monarchie wieder mit der Pickelhaube liebäugelt mag die Hohenzollernerbe freuen, aber ist nicht unbedingt Ausdruck eines kritischen Umgangs mit der deutschen Geschichte. „Ich muss nicht eigens betonen, dass Preußen in den letzten zweihundert Jahren eine Bedrohung für die Sicherheit Europas dargestellt hat. Der Fortbestand des preußischen Staates, und sei es nur in der Gestalt seines Namens, könnte später zum Ausgangspunkt revanchistischer Bestrebungen des deutschen Volkes werden, würde militaristischen Ambitionen in Deutschland Vorschub leisten und den Wiederaufstieg eines autoritär geprägten, zentralistischen Deutschlands begünstigen. Das muss im Interesse aller unbedingt verhindert werden«, legte der britische Vertreter im Alliierten Kontrollrat die Gründe für die Auflösung Preußens dar. Mit diesen Worten im Ohr überrascht es wenig, dass das Humboldt Forum gerade in einem Skandal um rechtsextreme Spender versinkt, die sich für die Rekonstruktion des Zentrums der Preußischen Macht, des Berliner Stadtschlosses, stark gemacht hatten.

In der aktuellen Diskussion geht also letztlich darum, ob man die Hülle oder die Idee von Schinkels Bauakademie wiederaufbaut. Da sich die Rekonstruktionsbefürworter gerade nicht kompromissbereit zeigen, scheint hier eine Annährung wenig wahrscheinlich.

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