16.06.2025 | Entgegen der Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Mitte für eine Rekommunalisierung der Habersaathstraße 40-48 wurde im August 2024 erneut eine Abrissgenehmigung für die Häuser erteilt.
Die Eigentümerin Arcadia Estate GmbH möchte die 105 Wohnungen abreißen und gegen Luxusbauten austauschen. Wenn das passiert, sind nicht nur die Langzeitmieter*innen betroffen, die sich seit vielen Jahren erfolgreich gegen den Abriss und gegen Verdrängung wehren: auch die 60 ehemals obdachlosen Menschen verlieren ihr Zuhause, das sie seit mehreren Jahren in der Habersaathstraße gefunden haben.
Die Gerichte haben längst entschieden: „Eine Wohnung ist kein Aktienpaket“, und „Es gibt kein Recht auf Gewinnmaximierung“ – so lauteten die Urteilsbegründungen gegen die Verwertungskündigungen der Mieter*innen vom Amtsgericht Mitte, die durch das Landgericht Mitte bestätigt wurden. Alle Langzeitmieter*innen der Habersaathstraße 40-48 dürfen demnach bleiben. Nach Erneuerung der Abrissgenehmigung drangsalieren Eigentümer Andreas Pichotta und seine GmbH die Mieter*innen nun erneut mit Gerichtsprozessen, fristlosen Kündigungen und Verwertungskündigungen.
Massive Missstände und Zerstörung solidarischer Wohnformen
Bereits seit 2019 plant die Eigentümerin, die Häuser abzureißen, um Platz für Luxusbauten zu schaffen. Die Häuser befinden sich aktuell noch im bezahlbaren Mietsegment. Durch eine aggressive Entmietungspraxis hat die Arcadia Estate GmbH bereits viel Leerstand sowie einen Instandhaltungsstau geschaffen.
2022 wurden die leerstehenden Wohnungen durch eine Aneignungsaktion obdachloser Menschen wieder bewohnt – ein Housing-First-Projekt von unten für über 60 Menschen, begleitet durch den Träger „Neue Chance“. Doch nach kurzer Zeit wurde dem Projekt durch das Bezirksamt das Geld gestrichen. Seitdem gibt es keine sozialarbeiterische Betreuung mehr.
Im Sommer 2023 kappte die Arcadia Estate durch kriminelle Maßnahmen den Zugang zu Strom und Warmwasser für die ehemals obdachlosen Menschen – und setzte vermehrt Einschüchterungsversuche ein.
Verantwortungslosigkeit von Bezirksamt und Eigentümerin
Zuletzt hat das Bezirksamt Mitte im August 2024 ohne Not erneut eine Abrissgenehmigung erteilt und die Baugenehmigung verlängert.
Damit übergeht das Bezirksamt Mitte:
- die Rechtsauffassung der Gerichte,
- die Beschlüsse der BVV, denen zufolge die Habersaathstraße 40–48 rekommunalisiert werden soll (s.o),
- die Ziele der Bundesregierung, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden.
Bewohner*innen werden aus ihrem Zuhause verdrängt und wieder auf die Straße geworfen!
Klimakrise und Abrissmoratorium
Das Bezirksamt Mitte missachtet zudem die Notwendigkeit, in Zeiten der globalen Erwärmung Maßnahmen zur Reduzierung von CO₂-Ausstoß zu treffen. Bereits 2022 haben zahlreiche namhafte Architekt*innen und Universitätenin einem offenen Brief ein Abrissmoratorium gefordert.
Die Arcadia Estate GmbH hält weiterhin an ihren Gewinnmaximierungsinteressen fest – und schreckt auch vor weiteren, jetzt schon angekündigten kriminellen Taten nicht zurück.
Das Bezirksamt Mitte zeigt keine ernstzunehmenden Absichten, Berlin sozialverträglich und gemeinwohlorientiert weiterzuentwickeln. Wir fordern deshalb die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf, die Habersaathstraße 40-48 zu kaufen und den kommunalen Wohnungsbestand zu erweitern, um den dort lebenden Menschen endlich ein sicheres und bezahlbares Zuhause zu geben und ein Beispiel zu setzen, wie sozialverträgliches Wohnen klimaverträglich erhalten werden kann!
Erstunterzeichner:innen
- Berliner Mieterverein
- Mieter*innengewerkschaft
- Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn
- Bündnis Zwangsräumung Verhindern
- Bündnis gemeinsam gegen Obdachlosigkeit und Zwangsräumungen
- Union für Obdachlosenrechte, UFO Wohnungslosenstiftung, Gesellschaft für Selbstvertretung wohnungsloser Menschen
- Mieterinitiative Elstal
- Interessengemeinschaft Habersaathstraße
- Initiative Offene Mitte Berlin
- Wem gehört Kreuzberg
- Klimaneustart Berlin
- Kotti & Co
- GSE Gesellschaft für StadtEntwicklung GmbH
- Prof. Adrian Nägel, Architects for Future und Initiative HouseEurope!
- Andreas Hüttner Chefredakteur MieterEcho, Berliner Mietergemeinschaft
- Andrej Holm, Stadtsoziologe, Humboldt-Universität zu Berlin
- Antonio Leonhardt, BVV Lichtenberg
- Prof. Elisabeth Broermann, TU Berlin / Architects for Future Deutschland e.V.
- Kalle Gerigk, wohnungspolitischer Aktivist, Köln
- Katalin Gennburg, Bundestagsabgeordnete, Die Linke
- Katrin Lompscher, Senatorin a.D., Vorsitzende der Hermann-Henselmann-Stiftung
- Martha Klledörfer, Vorsitzende Die Linke Berlin, BVV Berlin Mitte
- Matthias Coers, Filmemacher, Soziologe
- Moritz Ahlert, TU Berlin Architektur
- Niklas Schenker MdA, Die Linke
- Peter Storck, Pfarrer
- Theresa Keilhacker, Architektin